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Der Komet von 2019



Der Komet von 2019 Verserzählung (Auszug)

Martina Hefter


Die Karl-Heine-Straße ist eine breite, lange Straße in Leipzig.

Da beginnt die Geschichte.

Es sind die Lichtspiele des Westens.

Ein Straßenfest.

Überall in der Straße ist Licht.

In den Schaufenstern sind besondere, leuchtende Dinge.

Ein Tisch mit Obst, angestrahlt

und deutlich. Um einiges deutlicher

als die unfassbare Tür zu dem, was man so Transzendenz  nennt.

Manchmal machen Leute hinter den Schaufenstern Musik

oder sie tanzen, diese rührenden Bienentänze,

ich muss sagen, dass ich sie liebe.

Auf der Straße gibts Glühwein und Bratwurst.

Und überall Strom! Strom gibts wie Luft,

wir müssen nur die Hand nach dem Aggregator strecken, schon ploppen die Lampen einer Lichterkette mit gelbweißen Glühbirnen auf.

Die Lichterkette ist um einen Tapeziertisch drapiert

in der Sorgfalt, die uns das Leben nun mal abverlangt.

Bing! Jetzt sieht man uns.

Hier sind wir.

Amar, rechts außen, Zisan in der Mitte, und da, am Rand, das bin ich.

Pluto. Ich heiße Pluto Luzi Wolff. Hallo.

Amar, Zisan und ich sind ein Performancekollektiv.

Wir stehen mit dem Tapeziertisch am Parkplatz neben der Schaubühne Lindenfels.

Die Schaubühne Lindenfels ist ein Theater, es ist unter dem Himmel.

 

Ich mag den Himmel.

Ich kann das Sternbild Pegasus vom Sternbild Großer Wagen unterscheiden.

Die Sternbilder vergehen, erlöschen und tschüss.

 

Orion, mit einem Pfeil vom Himmel geholt.

Sirius, an die Wand getackert mit Nagelpistolen.

Gemini, gefaltet, kopfüber an Schnüre gehängt.

 

Wir machen einen Kuchenverkauf. Deswegen der Tapeziertisch.

Meine Lebensmaxime ist, alles genau und nacheinander zu erinnern,

zumindest seit dem Jahr 2019, als der Komet auftauchte am Firmament.

Wir haben ungefähr dreißig Kuchen.

Freunde haben sie für uns gebacken.

Wir haben sie hergebracht mit einem Auto.

Der Kuchenverkauf soll Geld bringen für unser nächstes Theaterstück.

Wir brauchen noch 400 Euro, das Kulturamt hat nur 80% der beantragten Fördersumme gezahlt.

Wir haben noch keine Kostüme und brauchen noch einen Trailer. Das kostet Geld, und deswegen steigen wir in einen Krieg mit dem Geld, wie immer.

 

Amar und Zisan machen freundliche Gesichter.

Sie knipsen das Licht an, wir leben.

Auf den Tisch packen wir Kuchen, es gibt runde und eckige Kuchen.

Wir haben eine Kasse, ein Kästchen aus Blech.

Darin klimpern Münzen.

Ich bin ganz zufrieden, mir ist warm genug.

Ich hab die Daunenjacke um meinen Körper gewickelt und

sie hält meine 1000 Volt zusammen.

Ich schneide die runden Kuchen und die rechteckigen Kuchen in Stücke.

Ich reiche den Menschen Pappteller mit Stücken.

Ich verkaufe viel Kuchen.

Ich halt meine Hand auf, Münzen fallen rein.

Ich leuchte im Dunkeln. Es sind die Sterne.

 

Mein Name ist eigentlich ganz schön.

Pluto.

Diese dunklen Töne, es geht tief runter,

und endet auf o -

Weit draußen.






Foto: Maximilian Gödecke

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